Eine Entdeckung

Den Ausgangspunkt für die Forschungen zum Lebensweg und Werk Eva Siewerts bildete 2015 ein Buchprojekt des Historikers Raimund Wolfert über Kurt Hiller, Hans Giese und das Wissenschaftlich-humanitäre Komitee (WhK) der frühen Nachkriegszeit. Eva Siewert gehörte um 1950 als einzige Frau vorübergehend dem Vorstand der WhK-„Gruppe Groß-Berlin“ an, und im Nachlass Kurt Hillers war – wenn auch unvollständig – der Briefwechsel erhalten, den Siewert und Hiller zwischen 1947 und 1958 miteinander geführt haben.

Mehr zum Engagement im → Wissenschaftlich-humanitären Komitee

Kurt Hiller

Eva Siewert

Dieser Fund war eine Sternstunde für die lesbisch-schwule Geschichtsschreibung, weil über Eva Siewert bis dato so gut wie nichts bekannt war. Erhalten sind insgesamt 71 Briefe, davon 60 von Siewert an Hiller und 11 von Hiller an Siewert. Sie sprühen geradezu vor Geist und bilden eine beeindruckende Quelle zur Lebensgeschichte einer Frau, die zu Unrecht dem Vergessen anheimgefallen war.

… und eine zweite Entdeckung

Die Beschäftigung mit Eva Siewerts Lebensweg und die Rekonstruktion ihrer Lebensverhältnisse führte auch auf die Spur von Alice Carlé, Eva Siewerts Geliebter, die wie ihre Schwester 1943 als Jüdin im Vernichtungslager Auschwitz ermordet wurde. Ihre Eltern waren wenige Monate zuvor im Ghetto Theresienstadt gewaltsam ums Leben gekommen.

Anfang 2017 konnten in der Berliner Beuthstraße 10 vier Stolpersteine für Alice Carlé und ihre Angehörigen verlegt werden, und im Vorfeld dieser Stolpersteinverlegung sind sich Raimund Wolfert und die Schauspielerin Sigrid Grajek zum ersten Mal begegnet. Während einer Benefiz-Veranstaltung im Schwulen Museum Berlin las Sigrid Grajek erstmals zwei ausgewählte Erzählungen Eva Siewerts vor. Das war ein so nachdrückliches und berührendes Hörerlebnis, dass die Idee aufkam, die Erzählungen Siewerts dauerhaft einem größeren Publikum hör- und erfahrbar zu machen. Die Frage stellte sich bloß, ob dazu ein Buch mit einer CD oder ein Auftritt im Internet konzipiert werden sollte.

Lesbisches Erinnern in neuer Form

Da die Finanzierung des Projektes jedoch noch in keinster Weise geklärt war, blieb die Sache vorerst liegen. Als die Berliner Landesstelle für Gleichbehandlung gegen Diskriminierung (LADS) im Sommer 2018 ein Interessenbekundungsverfahren zur Förderung von Mikroprojekten zur Geschichte von Lesben, Schwulen, Bisexuellen, trans- und intergeschlechtlichen Menschen (LSBTI) bekanntmachte, schlug uns die Stunde.

Die Magnus-Hirschfeld-Gesellschaft bewarb sich um die Realisierung eines solchen Mikroprojektes über Eva Siewert – eine eigene Website sollte es werden –, und nun ging es ganz schnell: Durch die Vermittlung Sigrid Grajeks kamen die Webdesignerin und Journalistin Christine Olderdissen, die Malerin Martina Minette Dreier und für die Tonaufnahmen Gunda Herke mit ins Boot.

Das Projekt „IN ERINNERUNG AN EVA SIEWERT“ konnte am 17. Dezember 2018 im Schöneberger Kunstraum Barbiche erstmals der Öffentlichkeit vorgestellt werden. Die Website wurde Ende Dezember 2018 freigeschaltet.